
Die Antwort des Senats auf die Schriftliche Kleine Anfrage der CDU-Fraktion offenbart ein strukturelles Versäumnis im Umgang mit bezirklichen Bürgerentscheiden. Die Anfrage zielte darauf ab, zu klären, wie der Senat mit Verfahren umgeht, bei denen Bürgerentscheide durchgeführt werden, obwohl der zugrundeliegende Sachverhalt nicht in die Zuständigkeit der Bezirksversammlung fällt und damit rechtlich unverbindlich ist.
Der Senat vermeidet in seiner Antwort auf nahezu alle 13 Einzelfragen eine Einordnung. Weder äußert er sich zur demokratischen Tragweite solcher Verfahren, noch zu möglichen gesetzlichen Änderungen oder zur haushalterischen Verantwortung. Auch zur Frage, welche Folgen sich für die Bezirksversammlung ergeben, wenn sie ein rechtlich unverbindliches Bürgerbegehren übernimmt oder ablehnt, gibt es keine Bewertung.
Ein aktuelles Beispiel macht die Problematik deutlich: Das Bürgerbegehren „Stand Up Winterhude“ wurde vom Bezirksamt Hamburg-Nord im Januar 2025 für formal zulässig erklärt, gleichzeitig aber als rechtlich unverbindlich eingestuft, da die betroffene Fläche nicht in die Zuständigkeit des Bezirks fällt. Ein vollständiger Bürgerentscheid ist dennoch für den 16. November 2025 geplant – mit geschätzten Kosten von über 600.000 Euro. Der Senat verweist lediglich darauf, dass das Bezirksamt bei der Finanzbehörde einen Antrag auf Erstattung stellen könne. Eine verbindliche Aussage zur tatsächlichen Kostenübernahme bleibt aus.
Hintergrund ist die aktuelle Gesetzeslage: Nach § 32 Absatz 1 des Hamburgischen Bezirksverwaltungsgesetzes (BezVG) sind Bürgerbegehren zulässig, wenn sie sich auf „Angelegenheiten des Bezirks“ beziehen. Das Gesetz enthält jedoch keine explizite Ausschlussregel für Fälle, in denen keine rechtliche Entscheidungskompetenz der Bezirksversammlung besteht. Auch das Bezirksabstimmungsdurchführungsgesetz (BezAbstDurchfG) unterscheidet nicht zwischen bindenden und unverbindlichen Verfahren – weder in Bezug auf die Durchführungspflicht noch auf die Kostentragung oder Informationspflicht gegenüber der Öffentlichkeit.
Dazu erklärt Dr. Kaja Steffens, bezirkspolitische Sprecherin der CDU-Fraktion: „Bezirksversammlungen stehen unter erheblichem Erwartungsdruck, sich symbolischen Verfahren anzuschließen, obwohl sie in der Sache nichts entscheiden können. Das führt zu einer demokratischen Schieflage und belastet gleichzeitig die bezirklichen Haushalte. Die CDU-Bürgerschaftsfraktion sieht in dieser Entwicklung politischen Handlungsbedarf – nicht nur in der Verwaltungspraxis, sondern auch im Landesrecht. Da beide relevanten Gesetze – das Bezirksverwaltungsgesetz und das Bezirksabstimmungsdurchführungsgesetz – Landesgesetze sind, liegt die Gesetzgebungskompetenz bei der Hamburgischen Bürgerschaft. Eine Initiative zur Klarstellung und Begrenzung solcher Verfahren kann daher direkt aus dem Parlament heraus erfolgen.
Wir werden uns dafür einsetzen, dass § 32 BezVG so überarbeitet wird, dass Bürgerbegehren künftig nur dann als zulässig gelten, wenn die Bezirksversammlung tatsächlich über die beantragte Maßnahme entscheiden kann. Ergänzend soll das Bezirksabstimmungsdurchführungsgesetz um klare Regelungen zur Kostentragung, zur Durchführungspflicht und zur Information über die rechtliche Wirkung solcher Verfahren ergänzt werden.
Bürgerbeteiligung ist ein hohes Gut, aber sie muss transparent, rechtssicher und finanziell verantwortbar sein. Wir brauchen gesetzlich klar geregelte Verfahren, die tatsächliche Wirkung entfalten, und nicht symbolische Abstimmungen, deren Ergebnisse rechtlich ins Leere laufen.“